Montag, 7. Dezember 2015

Deutsches Brot - Neuseeland

Der Farewell Spit liegt im äußersten Norden der Südinsel - dort, wo die stürmisch-regnerische Westküste mit den sonnigen Buchten des Nordens zusammentrifft. Die Landzunge besteht nur aus Sand und wird jedes Jahr um 400 Meter länger. Sie krümmt sich wie eine Sichel um die noch weit offene Bucht. Wir fahren in Nelson los - die Tasman Bay entlang Richtung Norden. Es ist noch früh, und die Lust auf Kaffee schärft den Blick für Cafes am Straßenrand. "European Bakery & Cafe" lesen wir auf dem Schild eines Lokals in Motueka. So etwas gibt es in Europa nicht. Wir halten an.


Eine Tafel verspricht "German Christmas Stollen" und deutsches Brot. Nachdem wir schon über zwei Monate ausschließlich auf Weißbrot herumkauen, ist das eine verführerische Ankündigung. Wir kaufen ein, bestellen zwei Espressos und einen Krapfen. "Jam Donut" heißt er hier, sieht aber aus wie zu Hause - nur, dass ihn statt des Staubzuckers eine Schicht Kristallzucker bedeckt. Wenig später bringt die Kellnerin den Kaffee: "Und? Schmeckt er wie in Deutschland?" "Wir sind aus Österreich", antworte ich eilig schluckend. "Ach, das ist doch das Gleiche", sagt sie darauf und lächelt bemerkenswert arglos.


Wir unterdrücken den Anflug von Protest in unserer Gemütsregung und versuchen auch das Gefühl von Überlegenheit zu vermeiden, das Österreicher in Sachen Brot und Mehlspeisen gegenüber Deutschen immer wieder haben. Und siehe da, es tut gut! Wir dürfen uns auch mit einem deutschen Krapfen aus Neuseeland für einige Augenblicke zu Hause fühlen - und mit deutschem Brot, auf das wir uns schon freuen. Der Bäcker ist Deutscher. Aber es ist eine europäische Bäckerei, in der wir sitzen - keine deutsche, keine österreichische, keine tschechische. Und es ist ein kleines Stück europäisches Selbstverständnis auf der anderen Seite der Welt, das man in Europa selbst nur selten spürt.


In Marlborough werden seit einiger Zeit die ersten Jahrgänge Grüner Veltliner abgefüllt. Auch das ein Stück Heimat auf fremdem Boden. Noch fehlt ihm hier das geliebte "Pfefferl", die bezaubernde Würze eines weinseligen Abends in Retz. Vielleicht wird er sie auch nie bekommen. Vielleicht öffnet Neuseeland für den Veltliner eine neue Geschmackswelt, in der seine Herkunft nur noch von weit her spürbar ist. Von weit her kommt er ja auch. Aber eines ging schnell. Das "ü" sprechen die Weinbauern hier erstaunlich gut.





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