Samstag, 31. Oktober 2015

Einfach mal weg - Segeln im Great Barrier Reef

Sydney - Brisbane ist nur ein Katzensprung. Von dort geht es weiter nach Proserpine. Das Flugzeug landet pünktlich, und schon sitzen wir im Bus nach Airlie Beach. Der Busfahrer kennt die gesamte Geschichte der Zuckerrohrindustrie dieser Region sowie alle Facetten des Fremdenverkehrs und spricht beides munter ins Mikrofon. Er verpasst eine Haltestelle, lacht, dreht um, lässt Leute aussteigen und erzählt weiter. Dann fährt er auch weiter. Wir erreichen Airlie Beach - eines der großen Tore zum Great Barrier Reef - heiter und gut informiert.
Der Morgen ist warm, viel wärmer als im mehr als 2000 Kilometer südlicher liegenden Sydney. Es ist tropisch. Frank erwartet uns am Pier. Neben ihm sind einige Styroporkisten gestapelt: Lebensmittel für sieben Tage, Wasser und Wein - nicht zu knapp. Wir bunkern alles sorgfältig ein, ehe uns Frank das Segelrevier genau erklärt und das Boot übergibt. Dann geht es los - bei 15 Knoten Wind aus Nordost. Einfach herrlich. Die Buchten der Whitsunday Islands werden für die nächsten sieben Tage unser Zuhause sein - fernab von Städten und Marinas. Wir ankern gegen Abend in der Nara-Bucht. Kurz bevor es dämmert setzt sich ein eigentümlicher Vogel auf unser Boot. Wir wissen nicht, wie er heißt. Wir freuen uns aber und gehen mit dieser Freude schlafen.



Donnerstag, 29. Oktober 2015

Wein, Kaffee und ein Kangaroo

Gute zwei Autostunden nördlich von Sydney liegt das Hunter Valley. Wir brechen früh auf und überqueren dieses Mal mit dem Auto die Harbour Bridge. Ein regnerischer Morgen begleitet uns - bis hinauf nach Broke. 1820 wurde hier der erste Wein gekeltert. Und damit ist dieses Tal die älteste Weinbauregion Australiens. Knapp 200 Jahre australische Weinkultur stehen hier 4000 Jahren Weinbau in Europa gegenüber. Gegenüber? Wir klopfen an ein paar cellar doors und merken rasch: Hier steht einander nichts gegenüber, hier ist alles drin - verwoben, eingebunden und in eigener Art entwickelt. Die Einwanderer aus den Mittelmeerländern hatten damals nicht nur ihre liebsten Reben im Gepäck, sie brachten auch ihre Leidenschaft mit. Beides viel auf fruchtbaren Boden.

In Europa kennen wir von Australien meist nur die Massenware: hübsche Flaschen, klangvolle Namen, flacher Geschmack. Die Weine des Hunter Valley verlassen Australien fast nie, oft nicht einmal das Tal. Die meisten Winemaker verkaufen ihre Weine nur ab Hof, in den Restaurants der Umgebung oder in den beliebten Weinklubs, die fast jedes Weingut betreibt. Es handelt sich dabei um eine Art Wein-Abo, das mich kurz an "Donauland" erinnert: Als Mitglied verpflichtet man sich, mindestens 24 Flaschen pro Jahr abzunehmen, die man jeweils im April und Oktober frei Haus zugeschickt bekommt - allerdings nur innerhalb Australiens. Nach Übersee geht fast nichts. Man muss schon hierher kommen, wenn man einen richtigen Hunter erleben möchte.

Der Shiraz ist bemerkenswert, auch der Tempranillo und der weiße Verdelho. Besonders stolz ist man aber auf den Chardonnay und den Semillon, eine Traube, die in Europa kaum noch angebaut wird. Hier macht man daraus einen sehr lebhaften Wein - leicht und frisch. Und wir lernen, dass man das hierzulande "crispy" nennt. Ich spüre dem nach: ein gutes Wort. Es prickelt auf der Zunge und zergeht auf ihr. Während wir dann in der Dämmerung vor unserem Bungalow den Tag zergehen lassen, zeigt sich ein kleines Kangaroo, nur ein paar Schritte entfernt. Es ist neugierig, kommt noch näher, spring dann aber doch zur Seite und verschwindet im Wald.

Anderntags berichtet das Frühstücksfernsehen über Kaffee. Kein überraschendes Thema am Morgen. Doch die Rede ist nicht von Kaffee im allgemeinen. Die Rede ist von der hochentwickelten australischen Kaffee- und Espressokultur, die immer mehr zu einem internationalen Exportschlager wird. Wie bitte? Nimmt das nicht Österreich für sich in Anspruch, und vor allem Italien? Tatsächlich sehen wir überall echte und eindrucksvolle Espressomaschinen. Und wir sehen Menschen, die geduldig auf ihren Kaffee warten - im Cafe, am Take-away-Stand, im Restaurant. Denn ein Espresso braucht Zeit, es gibt ihn nicht auf Knopfdruck. Ein Espresso muss sorgfältig von Hand vorbereitet werden, ehe der Siebträger eingespannt und das Wasser langsam durch den dichtgepressten Kaffee in die Tasse rinnen kann. In Australien nimmt man sich diese Zeit, während man bei uns zu Hause - getrieben von Kapselmaschinen und Vollautomaten - Schluck für Schluck zu vergessen beginnt, wie echter Espresso schmeckt. Australien scheint zum Gedächtnis der europäischen Kaffeekultur geworden zu sein - nicht zuletzt dank der vielen italienischen Einwanderer. Gut, dass es ein solches Gedächtnis außerhalb Europas gibt, aus dem wir die eigene kulinarische Kultur - nachdem sie unserem angegrauten Sinn für Qualität und unserer Bequemlichkeit zum Opfer gefallen ist - zurückimportieren können.





Montag, 26. Oktober 2015

Was kann man über Sydney sagen?

Was kann man über eine Stadt am anderen Ende der Welt sagen? Über eine Stadt, in der wir gerade einmal drei Tage sind? Über deren glanzvolle Oberfläche wir unsere Hand bloß kurz gleiten lassen? Oh ja, Sydney ist groß und großartig. Das sagt fast jeder. Und man darf dem auch glauben, wenn man von ganz weit oben - nachdem man beispielsweise über die Stahlbögen der Hafenbrücke geklettert ist - den Blick über den riesigen natürlichen Hafen schweifen läßt. Und man spürt es auch, wenn man mittendrin ist, wenn man mit der Fähre nach Manly hinüberfährt, vorbei an Harbour Bridge, Opera House und zahllosen Segelbooten, die den Port Jackson füllen - geradeso als gäbe es in Sydney jeden Tag eine Regatta.

Was kann man sonst noch sagen, nach so kurzer Zeit, nach so wenigen Augenblicken? Dass Sydney trotz seiner Größe und der beinahe fünf Millionen Einwohner ruhig und gelassen wirkt - auch an einem Montagmorgen? Dass die Möwen agressiver sind, weil mindestens sieben von ihnen einer Asiatin am Nebentisch den Burger zerlegen, während sie aufspringt und davonläuft? Dass sich Sydney mehr als andere Städte vor Ebola fürchtet und am Flughafen alle zehn Meter ein Schild darauf hinweist, dass Ebola dafür verantwortlich sein kann, wenn einem gerade unwohl ist? Nach 20 Begegnungen mit einem sich übergebenden Piktogramm wird mir tatsächlich übel.

Jedenfalls fällt auf, dass - wie überall - die Häuser der Banken in der ersten Reihe am Meer stehen. Ob sie das verdient haben, möge in diesem Doppelsinn offen bleiben. Als Sydney noch ganz jung war, haben Menschen dort gelebt - in "The Rocks". Nach den Hochhaus-Schluchten wird die Stadt niedriger und breitet sich wie eine endlos in die Länge gezogene englische Kleinstadt aus - entlang der Kais und Buchten des natürlichen Hafens. Bis nach Bondi, dem legendären Strand, in dem alle schutzlos in der Sonne und die Surfer draußen auf ihren Brettern liegen. Mehrere Tonnen Sonnencreme werden hier jedes Jahr in den Ozean gespült. Am Heimweg kommen wir noch einmal an der Oper vorbei. Eigentlich ist sie kleiner und ihr Dach weniger weiß als in unserer Hochglanz-Erinnerung. Und vielleicht ist gerade das das Schöne und Einnehmende an dieser Stadt am anderen Ende der Welt: dass sie kleiner, näher und freundlicher ist, als man denkt.







Donnerstag, 22. Oktober 2015

Nahe an der Postkarte - Fiji

An manchen Tagen ist die Wirklichkeit einem Postkarten-Foto näher als ... Als? Als der Wirklichkeit? Diese ist jeden Tag wie sie ist. Und manchmal ist sie eben so unverschämt schön wie in einem Bilderbuch. Darüber darf man sich freuen. Aber noch ist es nicht soweit. Es ist früh am Morgen, der Himmel ist wolkenverhangen und zwischen den Inseln liegt noch der Nebel. Serevi - der 1. Offizier an Bord - hatte mich am Vorabend eingeladen, bei Tagesanbruch auf die Brücke zu kommen. Das Schiff ist 20 Jahre alt. Modernes Equipment steht neben traditionellen Reglern, Schaltern und Alarmsignalen. Serevi erklärt geduldig die Ausstattung, während er mit Daumen und Zeigefinger das Schiff auf eine enge und seichte Durchfahrt zusteuert. "This passage is quite narrow", stelle ich verschlafen das mehr als Offensichtliche fest. "Yes", antwortet Serevi knapp und trocken, "no room for error."


Langsam lichten sich die Nebel. Die Sonne bricht durch die Wolkendecke und der Tag nähert sich der Postkarte. Das Morgenlicht hebt die Inseln aus dem Meer. Nach und nach tauchen sie auf und begleiten unsere langsame Fahrt. Acht Knoten genügen. So stören wir den ruhigen Morgen nur wenig. Kurz fällt mir ein, dass Ende der 1970er Jahre "Die blaue Lagune" hier auf den Yasawas gedreht wurde. Aber auch das stört nicht. Türkisklares Wasser, weißer Sand, üppiges Grün, geneigte Palmen. Kein Wort mehr. Wir schließen die Augen, und die Töne des türkisblauen Wassers klingen hinter den Lidern nach. - Unser Zeit auf den Fijis geht dem Ende zu. In zwei Tagen sind wir zurück in Nadi und nehmen einen Flug nach Sydney.






Dienstag, 20. Oktober 2015

Die Nähe des Fremden - immer noch Fiji



An manchen Tagen geschieht nichts. Ruhige Tage auf einem Schiff, das langsam durch die Mamanucas fährt. Inseln tauchen aus dem Nebel auf, ziehen vorbei und verschwinden in der untergehenden Sonne. Das Boot schwankt mit uns in der Dünung der See. Sonst passiert nichts. Nichts, was uns ablenken würde. Wovon eigentlich? Vom Reisen? Von uns selbst? Für einige Augenblicke bleibt die Frage: Was tut man eigentlich, wenn man reist? Lenken wir uns ab? Suchen wir etwas? Entdecken wir es? Oder etwas anderes? Was tun wir hier? Noch bemerkenswerter ist aber die Frage: Was tun man, wenn man von zu Hause aufbricht? Was geschieht im Augenblick des Entschlusses? Was, wenn man die Tür hinter sich schließt?


Bekommt man durch Reisen ein neues Bild von einer Welt, in der nichts unentdeckt geblieben ist, in der bereits alles gepostet, geteilt und auf YouTube hochgeladen wurde? Kommt man mit Google nicht schneller voran als mit einem Flugzeug, einem Schiff oder einem Zug? Ja, das tut man. Und wenn man unter Reisen, den Besuch von Sehenswürdigkeiten, das Abhaken gelisteter Highlights und empfohlener Folklore versteht, dann ist Google vermutlich die bessere Wahl: schneller, billiger, informativer. Aber das hat man nicht im Sinn, wenn man zu Hause die Tür schließt. Und wenn man wieder heimkommt, dann sind es nicht die wenigen Muscheln, das Häufchen Sand oder die paar Speicherkarten mit Fotos im Gepäck, die die Reise ausmachen. Es sind nicht einmal die Erlebnisse. Es ist der Umstand, dass man - ein klein wenig zumindest - durch die Reise ein anderer Mensch geworden ist.


Gut möglich, dass man auf Reisen weniger über die Welt lernt als über sich selbst. Der Reisende ist dünnhäutiger, verletzlicher und offener. Er ist mehr als andere auf das Fremde angewiesen und nicht nur an ihm interessiert. Das Fremde ist für ihn keine Folklore, kein Panoptikum. Es ist ein Lebensraum, in dem er sich bewegen will. Und es braucht nur einen Wimpernschlag, um zu begreifen, dass in der Fremde nicht das Fremde fremd ist, sondern er selbst. Die Heimat ist in diesem Augenblick am anderen Ende der Welt. Und die Erinnerung daran bleibt, auch wenn er wieder zu Hause ist. Vertrautes und Fremdes verschwimmen. Das ist es, was eine Reise ausmacht. Der Reisende verliert ein Stück Heimat und gewinnt ein Stück Welt.


Weit muss eine Reise nicht sein. Ein Gespräch mit der einheimischen Nachbarin im Stiegenhaus kann ebenso fremd und befremdlich sein wie ein Spaziergang durch Floridsdorf oder ein Abendessen in Hernals oder Grinzing. Die Entfernung macht eine Reise ebenso wenig aus wie eine Handvoll Sand vom anderen Ende der Welt. Eine halbe Stunde im D-Wagen durch Wien kann mich weiter forttragen als ein 20-stündiger Flug. Ich denke einmal mehr an James Cook. Als Sohn eines Tagelöhners in der britischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts waren für ihn praktisch alle Türen verschlossen. Er wurde Kaufmannslehrling, Matrose und widmete sich autodidaktisch der Navigation. Er steuerte Kohleschiffe und wurde letztendlich Commander der wichtigsten Entdeckungsfahrten der Royal Society. Gut möglich, dass seine Reise durch die Katarakte der britischen Gesellschaft weiter war als alle drei Südseefahrten zusammen.

Samstag, 17. Oktober 2015

Vuda, Christentum und flatternde Wäsche - Fiji

Der Tag beginnt britisch, mit Regen und einer Autofahrt auf der "falschen" Seite. Rund um die halbe Insel. Mit dem letzten Tageslicht kommen wir nach Viseisei. Hier liegt der sogenannte Vuda Point, an dem der Legende nach die ersten Fidschianer dieses Land betreten haben. Das war vor mehr als 3000 Jahren. Melanesier waren mit hochseetauglichen Auslegerkanus aufgebrochen, hatten die Insel Viti Levu entdeckt und zu ihrem Lebensraum gemacht. Von hier aus besiedelten sie die übrige Inselgruppe. Weiter im Süden auf Tonga nannte man die Insel Fisi. Im Mund der Engländer wurde daraus Fiji. Und in der alten Welt blieb das der Name für die damals noch einsamen Inseln in der Südsee.

Viseisei ist für hiesige Verhältnisse ein großes Dorf. Mehr als 1000 Menschen leben hier, und es liegt direkt am Meer. Wege und Straßen gibt es kaum. Die Häuser stehen frei auf dem Rasen, ohne Zaun, ohne Grenzen zueinander. Gibt es hier einen öffentlichen Weg? Wo beginnen die privaten Grundstücke? Wir können es nicht erkennen und zögern. Noch nie hatten wir das Gefühl, in ein Dorf tatsächlich einzutreten - geradeso als würde man ein Haus betreten. "Can I help you?" Lächelnd kommt ein älterer Mann auf uns zu. Er heißt Viliame, sagt er, und wenn wir wollen, geht er mit uns durch das Dorf. Ganz wie ein Hausherr, denke ich mir, der Gäste durch seine Räumlichkeiten führt.
Viliame erzählt uns die Jahrtausende alte Geschichte des Vuda Points. Und er erzählt uns, dass sein Dorf das erste war, das auf den Fijis mit dem Christentum in Berührung kam. Alle im Dorf seien heute Methodisten, dank der Missionare der London Missionary Society, die 1826 nach Fiji gekommen waren. Viliame ist stolz, sehr stolz auf das, worauf wir Europäer nicht ausschließlich stolz sein sollten - auch wenn seine Geschichte den historischen Fakten nicht ganz standhält. Denn die ersten Missionare kamen erst 1830 nach Fiji, und auch die Bekehrung hatte sich vermutlich anders zugetragen. Doch das ist an dieser Stelle nicht von Bedeutung. Bedeutsam sind nicht Fakten, sondern nur, welche Geschichte geglaubt und erzählt wird. Und Viliame erzählt, dass ihr damaliger Häuptling von den Engländern einen Mantel, einen Regenschirm und eine Bibel geschenkt bekam. Als er dann starb, riss man die Knöpfe aus dem Mantel und bewahrte sie in der Kirche auf. Da liegen sie noch heute. Viliame ist stolz auf diese Knöpfe, und sie gelten ihm als Beweis. Denn jeden, der behauptet, ein anderes Dorf sei früher zum Christentum konvertiert, fragt er: "Habt ihr Knöpfe von den Engländern?" Nein, die haben sie nicht. Und damit ist die Diskussion beendet.

Das Dorf besteht bis zum heutigen Tag aus zwei Stämmen, erzählt Viliame weiter. Sie würden vertraut und gesellig miteinander leben und auch untereinander heiraten. Dennoch haben sie unterschiedliche Aufgaben, auch heute noch. Während die einen den Häuptling ernennen, stellen die anderen die Krieger. Wie die Krieger heute eingesetzt werden, berichtet Viliame nicht. Nur, dass die Jungend am liebsten Rugby spielt. Und er erzählt, dass sein Dorf nicht nur wegen des Vuda Points berühmt sei. Mehrere Minister und sogar ein Premierminister würden aus diesem Dorf stammen. Ein Denkmal gibt es am Vuda Point nicht. Ein Steinwurf weiter im Norden liegt ein Ölhafen, eine kleine Marina und ein Urlaubsresort. Hier im Dorf flattert nur die Wäsche im Abendwind. - Es ist dunkel geworden, der Regen hat jetzt aufgehört. Am Heimweg öffnet sich der Himmel und glüht.



Donnerstag, 15. Oktober 2015

Alltag, nichts weiter - Fiji

Nach Nadi kommt jeder. Und nach Nadi kommt keiner. Nadi ist der internationale Flughafen Fijis. Jeder Tourist, der die Inseln besuchen möchte, muss nach Nadi, ob er will oder nicht. Für gewöhnlich legt man hier aber nur einen kurzen Zwischenstopp ein, ehe man mit Flugzeug oder Boot auf eine der anderen Inseln weiterreist. Dass es hinter dem Flughafen auch eine Stadt gibt, nimmt kaum jemand wahr.  Wir haben Nadi besucht und fanden - nein, wir fanden keine unentdeckte Perle - wir fanden Alltag, nichts weiter. Grau-bunten Alltag, wie es ihn überall auf der Welt gibt.
Schotter- und Asphaltstraßen wechseln mehrmals auf der kurzen Fahrt. Wir verlassen das in allen Köpfen festgefahrene Postkarten-Motiv Fijis und holpern in eine gut 11.000 Menschen zählende Stadt. Gut vergleichbar mit einer mittleren österreichsichen Bezirkshauptstadt, nur ohne altes Rathaus, ohne Barock-Kirche und ohne Heimat- oder Bergbau-Museum. Keine schilfgedeckten Hütten aus Lavastein, keine Palmen, keine Papaya-Bäume. Nichts. Nur lieblose Betonfassaden, hinter denen Handy-Shops, Sportgeschäfte, Drogerieläden, Supermärkte und fallweise auch Restaurants oder Läden für Autozubehör untergebracht sind.
Eine Sehenswürdigkeit im üblichen Sinn hat Nadi nicht, eigentlich auch nicht im unüblichen Sinn. Aber die Busse sind offen, und drinnen sitzen Kinder in Schuluniform, die lachen, die kreischen, die singen. Wir folgen unserem kleinstädtischen Kinderspürsinn und finden einen Markt. Märkte sind fast überall ein kleiner Trost. Sie sind lebendig, üppig und farbenreich, sie sind laut, sie duften und stinken, sie sind wie ein  träger Liftzug purer Sinnlichkeit. Auch in Nadi.
Nur ruhiger ist es hier. Und ordentlicher. Nadi hat - und schon wieder wird man aus einem Postkarten-Klichee verstoßen - den ordentlichsten Markt, den wir jemals gesehen haben. Tomaten und Limonen, Taro, Cassava und Muscheln sind fein-säuberlich geordnet, auf symmetrische Häufchen verteilt oder zu kleinen Türmchen gestapelt. Nur ja nichts kaufen, denke ich mir, sonst wird die Ordnung gestört. Ebenso eigentümlich ist die Ruhe. Es ist hier ruhiger, als sonst auf einem Markt. Das mag an den vielen Kava-Ständen liegen, die nicht nur die Wurzeln für das traditionelle, tief entspannende Getränk anbieten. Immer wieder sieht man auch gut gefüllte Kokosnuss-Schalen von Hand zu Hand, von Mund zu Mund gehen.
Alltag, nichts weiter. Grau-bunter Alltag.









Mittwoch, 14. Oktober 2015

Abgetaucht - Fiji

Wer meint, eine Reise wäre ein Urlaub, der irrt gewaltig. Reisen ist harte Arbeit. Vor allem dann, wenn man sich - wie Petra - fortbildet, zum Advanced Diver. Vor 15 Jahren sprang sie in Thailand für die Open Water Licence ins Wasser, tauchte ab und wieder auf und verstreute Kreuzerl in Multiple Choice Tests. Da die Erinnerung an das Theoriewissen von damals schon ein wenig verschwommen und vergilbt ist, gibt es einiges zu lernen, Altes und Neues. Der hiesige Diving Professor heißt Allan, kommt aus Australien und ist streng. Natürlich. Es gibt Einzelunterricht im Garten. Aber eben leider auch Einzelprüfungen. Schummeln unmöglich.


So gibt es viel zu pauken. Jede Minute wird genutzt, und ich höre Petra auf der Veranda leise und hingebungsvoll die vielen Merksätze vor sich hinsagen. Ich höre Wissenswertes über Deep und Night Diving, über Techniken, Equipment und Procedures, über Stress, Lights, Gewichtsverteilung und Fine Tuning. Und selbstverständlich höre ich viel über die edelste aller Disziplinen, über die Königsdisziplin des Meeres: die Navigation. Diese wird vorerst auf dem Rasen geübt. Das Handtuch übernimmt die Rolle der Wassermassen, die sich über dem Taucher auftürmen, und soll wohl den Blick ausschließlich auf den Kompass am Handgelenk konzentrieren. Wie von Zauberhand geführt, findet Petra zum Restaurant zurück.


Aber klarerweise muss das auch alles unter Wasser geübt und geprüft werden. Also geht es runter, weit runter in die Tiefen, über die Schiller seinen Taucher dem gefürchteten König berichten läßt: "Lang lebe der König! Es freue sich/Wer da atmet im rosigen Licht/Da unten aber ists fürchterlich/Und der Mensch versuche die Götter nicht/Und begehre nimmer und nimmer zu schauen/Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen." Aber Petra begehrte und tauchte auch wieder auf. Statt über den goldenen Becher darf sie sich über die Advanced Licence freuen. Die ist auch gülden.